Die Rolle von Technologie und KI in der professionellen Anlageberatung

KI in der institutionellen Anlageberatung

Die Digitalisierung hält bereits seit über fünfzig Jahren Einzug in die Finanzindustrie. Viele analoge Vorgänge wurden mit der Zeit von Maschinen und Computern übernommen. Mittlerweile gibt es die digitale Vermögensverwaltung und andere Möglichkeiten des digitalen Investierens.

Der nächste logische Schritt: Künstliche Intelligenz wird in Zukunft vermehrt in der Anlageberatung eingesetzt werden und den Beratungsprozess deutlich vereinfachen, darin sind sich Experten einig. Was sind die Vor- und Nachteile von Anlageberatung mittels KI? Worauf müssen Berater und Anleger achten und wie kann KI-Technologie in der Anlageberatung am besten eingesetzt werden?

Autor: Pablo Hebestreit

Lesezeit: 8 Min.

15. September 2023

Was sind Online Investments?

Bei Online Investments handelt es sich um Geldanlagen, die übers Internet getätigt werden. Das ist nicht nur bequem, sondern spart häufig Kosten gegenüber einem klassischen Investment bei der Bank. Einzelne Transaktionen sind beim Online Investment in der Regel deutlich günstiger.

Moderne Technologien in der Finanzwelt – Wie die Digitalisierung Einzug in die Finanzindustrie hält

Nachdem die Securities and Exchange Commission (SEC) am 1. Mai 1975 in den USA die Deregulierung der fixen Ordergebühren veranlasste, wurden die ersten Discount-Broker gegründet. Ihr Fokus lag auf dem Ausführen der Order, weshalb sie deutlich günstiger waren als andere Broker, heißt es in der Marktanalyse „Digital investieren“ der Management- und Technologieberatung Sopra Steria. Auch an den Börsen hielt der technische Fortschritt Einzug und Prozesse wurden zunehmend digitalisiert. So wurde beispielsweise Ende der 1980er-Jahre das computergestützte Kursinformationssystem (KISS) in Frankfurt in Betrieb genommen, ca. zehn Jahre später folgte mit XETRA (Exchange Electronic Trading) ein vollelektronisches Handelssystem. Informationen konnten so schneller transportiert werden, Prozesse wurden effizienter und die Geldanlage insgesamt günstiger.

In den darauffolgenden Jahren besaßen immer mehr Menschen einen eigenen Computer, zunehmend mit Zugang zum Internet, was mit einem Rückgang der notwendigen Beratungsprozesse einherging. 2013 ging in den USA der Online-Broker Robinhood an den Start. Sie waren die ersten, die Anlegerinnen und Anlegern einen Handel ohne Kommissionen anboten. Seitdem ziehen weltweit zahlreiche Anbieter nach, in Deutschland z. B. Etoro und Trade Republic und sorgen für niedrigste Oderpreise. In den vergangenen Jahren sorgte vor allem die stetige Verbreitung von Smartphones für neue, besonders benutzerfreundliche Anwendungen für Anleger. Sie können mittlerweile nicht mehr nur vom heimischen Computer aus Entscheidungen bezüglich ihrer Geldanlage treffen und diese umsetzen, sondern ebenso von unterwegs aus.

Einen weiteren Boom lösten in den vergangenen Jahren digitale Vermögensverwalter, die sogenannten Robo-Advisors, aus. Mithilfe von Algorithmen stellen sie Anlegerinnen und Anlegern ein geeignetes Portfolio zusammen. Nachdem die ersten Robo-Advisors in den 2000er-Jahren in den USA auf den Markt kamen, eroberten sie mit der Zeit andere Länder wie Deutschland. Digitale Vermögensverwalter arbeiten meist auf Basis von ETFs, aber es gibt auch andere Lösungen. So bietet LAIC, ein Tochterunternehmen der LAIQON AG, eine digitale Vermögensverwaltung basierend auf aktiven Fonds an. Zur Kostensenkung werden zusätzlich ETFs eingesetzt. LAIC bietet daneben für institutionelle Anleger systematische Aktien- und Multi-Asset-Strategien an, die auf Künstlicher Intelligenz basieren. Dabei integriert LAIC in seine Strategien neuronale Netze und entwickelt die bisher in der digitalen Vermögensverwaltung genutzte KI-Technologie sinnvoll weiter.

Anlageberatung mittels KI ist der nächste logische Schritt. Doch was bedeutet der Einsatz Künstlicher Intelligenz in Beratungsprozessen? Brauchen wir zukünftig noch Berater und Mitarbeiter in Banken? Bewirken Algorithmen und der Einsatz von KI-Technologie effizientere Entscheidungen für Anleger? Und wie bzw. an welchen Stellen könnte Anlageberatung mit KI überhaupt funktionieren?

Anlageberatung mit KI und Technologie: Praktische Beispiele

Finanzexperten zeichnen ein klares Bild der Anlageberatung mittels KI. Mitarbeiter von Banken, die auf Anlageberatung spezialisiert sind, werden durch KI-Technologie zukünftig nicht ersetzt, sondern unterstützt werden. Künstliche Intelligenz kann an vielen Stellen des Beratungsprozesses zum Einsatz kommen, z. B. zur Vorbereitung auf das Gespräch, zur Vorauswahl der für den Anleger geeigneten Finanzprodukte, zur Aufzeichnung und Analyse der Wünsche und Vorstellungen der Kundinnen und Kunden und auch im Anschluss an das Beratungsgespräch.

Dazu gibt es verschiedene Systeme, die im Rahmen von Anlageberatung KI vorstellbar wären. Dazu zählen z. B.:

Intelligente Dialogsysteme

Conversational Interfaces (CI) sind intelligente Dialogsysteme, die dafür sorgen, dass sich Anleger zeit- und ortsunabhängig mit ihrer Bank bzw. ihrem Broker austauschen können. Zu den CI zählen u. a. Chatbots und Sprachassistenten. Sie helfen Anlegern, die Antworten auf grundlegende Fragen zu finden und begleiten sie mühelos durch die ersten Schritte des Beratungsprozesses. Sprachassistenten könnten im direkten Gespräch mit dem Berater ebenfalls eingesetzt werden, um zu erfassen, was die Anlegerin oder der Anleger sagt.

Da intelligente Dialogsysteme lernfähig sind, könnten sie im nächsten Schritt Kundenprofile anlegen und später weitere Bedürfnisse der jeweiligen Anleger hinzufügen. Fragebögen, die aktuell noch häufig z. B. im Rahmen der digitalen Vermögensverwaltung eingesetzt werden, könnten so von personalisierten Gesprächen abgelöst werden. Intelligente Dialogsysteme wären somit als persönlicher Assistent von Investorinnen und Investoren denkbar.

Prädiktive Analytik

Die Erfassung der Daten führt zur nächsten möglichen Anwendung, der predictive Analytics(PA). Die mithilfe des Spracherkennungsprogramms festgehaltenen Daten können durch die PA analysiert und interpretiert werden, indem sie mit Millionen von bereits vorhandenen Daten abgeglichen werden. So können Muster erkannt und auf Basis dessen Vorhersagen getroffen werden. Ein Mensch könnte die schiere Menge an Daten nicht auswerten – diese Art der Analyse bleibt der Anlageberatung KI vorbehalten.

Die PA ist vermutlich den meisten von uns bekannt: Streaminganbieter wie Netflix arbeiten etwa mit prädiktiver Analytik, um ihren Nutzerinnen und Nutzern Filme und Serien zu empfehlen. „Ein dahinterstehender Algorithmus verarbeitet Inputdaten wie IP-Adresse oder Suchverlauf und erstellt daraufhin Prognosen, welche Services und Produkte vom Kunden am wahrscheinlichsten benötigt oder gekauft werden. Ein wesentlicher Vorteil von PA ist vor allem die Abwesenheit von subjektiven Beeinflussungen. Die Modelle beruhen auf rein objektiven Informationen und schliessen dadurch Bauchgefühl-Entscheidungen kategorisch aus“, heißt es im Blog ccecosystems.news. Zur Analyse von Daten in der Anlageberatung können nicht nur Finanzdaten genutzt werden. Die PA kann ebenso Blog-Artikel, Beiträge aus den sozialen Medien und weitere Daten auswerten und in die Analyse einbeziehen.


Intelligente Marktsegmentierung

Intelligente Algorithmen helfen dabei, die komplexen und sehr unterschiedlichen Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden zu clustern. Dadurch können Banken unterschiedliche Käufergruppen identifizieren und diesen gezielt spezielle Angebote machen. Auch Neukundengewinnung wird durch die intelligente Marktsegmentierung vereinfacht, da sich dadurch Zusammenhänge ergeben, die vorher eventuell nicht erkennbar waren.

Kundinnen und Kunden, die ähnliche Bedürfnisse haben, können so identifiziert und personalisiert angesprochen werden. In verschiedenen Marktphasen können Kundinnen und Kunden mit wertvollen Informationen versorgt werden, die sie bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Durch die Analyse von Kundendaten und Markttrends können individuelle, zeitlich angepasste Informationen generiert werden. Dies dient nicht nur der Kundenbindung, sondern vor allem dazu, den Anlegern Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen sie ihre Finanzstrategien optimieren und bessere Anlageentscheidungen treffen können.

Die Vorteile und Nachteile von Technologie und KI in der Anlageberatung

Schnell Muster zu erkennen und Informationen zu verarbeiten ist in der Anlageberatung sehr hilfreich. Anlageberatung mit KI unterstützt Beraterinnen und Berater dabei, die passenden, individuellen Anlagelösungen für ihre Kunden zu finden und immer aktuell anzupassen. Ein weiterer Pluspunkt: Dadurch, dass Mitarbeitern zahlreiche Aufgaben im Bereich der Analyse und Beratung abgenommen werden, können sie sich besser auf das persönliche Gespräch mit ihren Kunden konzentrieren. Anlageberatung, KI und Mensch ergänzen sich somit sinnvoll. Anleger profitieren von detaillierterer Beratung, 24/7-Erreichbarkeit, Transparenz, geringerer Komplexität und niedrigen Kosten.

KI-Technologien bergen allerdings auch das Risiko von Datenschutzverletzungen, Datenmissbrauch und Datendiebstahl. Anlageberatung mittels KI könnte zu einem gewissen Zurücklehnen bei Investorinnen und Investoren führen. Getreu dem Motto: Die Künstliche Intelligenz ist unfehlbar. Doch auch hier können Fehler passieren und Risiken falsch eingeschätzt werden. Daher ist es umso wichtiger, zu verstehen, dass KI-Technologien im menschlichen Beratungsprozess unterstützen, ihn aber keinesfalls ersetzen.

Fazit

KI-Technologie ist schon heute ein wertvolles Instrument, um Finanzunternehmen dabei zu unterstützen ihre Anleger bestmöglich zu beraten. Die Technologien stellen wertvolle Informationen zur Verfügung, die Anlegern helfen, die richtigen Entscheidungen in Bezug auf ihre Geldanlage zu treffen – unterstützend zu persönlichen Gesprächen mit dem Berater. Analysen lassen sich mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz schneller und detaillierter durchführen, relevante Informationen werden segmentiert abgelegt und für spätere Kundenbeziehungen gespeichert und ausgewertet.

Aktuell verwenden die meisten Anbieter nicht-intelligente Algorithmen, weshalb der Einsatz Künstlicher Intelligenz noch am Anfang steht. In Zukunft wird der Beratungsprozess durch KI-Technologie auf ein ganz anderes Level gehoben werden. Die Potenziale sind riesig und es wird spannend sein zu sehen, auf welche Art und Weise Finanzinstitute Anlageberatung mit KI vollumfänglich ein- und umsetzen werden.

Spezialtipp: ChatGPT in der Anlageberatung?

Im Mai 2023 wurde bekannt, dass JPMorgan Chase, eine der größten Banken der Welt, derzeit an einer Anlageberatung mittels KI arbeitet. Der Dienst nennt sich IndexGPT – inspiriert von der für Furore sorgenden OpenAI-Technologie ChatGPT. Die Bank hat IndexGPT bereits als Marke angemeldet, wie coinkurier.de schreibt: „In der Markenanmeldung heißt es, dass IndexGPT Cloud-Computing-Software und Künstliche Intelligenz nutzen wird, um Wertpapiere zu analysieren und auszuwählen, die den Kundenanforderungen entsprechen.“ Der erste wegweisende Schritt einer Großbank in Richtung Anlageberatung KI scheint damit getan.

FAQ zu Technologie und KI in der Anlageberatung

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik definiert Künstliche Intelligenz als „die Technologie und die wissenschaftliche Disziplin, die mehrere Ansätze und Techniken wie zum Beispiel maschinelles Lernen, maschinelles Schließen und die Robotik umfassen. KI-Systeme sind Software- und Hardwaresysteme, die Künstliche Intelligenz nutzen, um in der physischen oder digitalen Welt ‚rational‘ zu handeln. Auf Grundlage von Wahrnehmung und Analyse ihrer Umgebung agieren sie mit einem gewissen Grad an Autonomie, um bestimmte Ziele zu erreichen.“

Künstliche Intelligenz in der Anlageberatung ist noch nicht allgemein in der Branche verbreitet. Viele Algorithmen funktionieren auf Basis von Regeln, wirklich intelligent sind sie noch nicht. Das wird sich in naher Zukunft ändern, wenn KI-Technologien weiter Einzug in die Beratungsprozesse halten. Im Gegensatz dazu gibt es im Portfolio-Management bereits Unternehmen wie LAIC, die seit 2019 erfolgreich Künstliche Intelligenz einsetzen und eine Expertise in diesem Bereich aufgebaut haben.

Im Mai 2023 ist bekannt geworden, dass die Großbank JPMorgan Chase die Anlageberatung IndexGPT als Marke angemeldet hat. Sehr wahrscheinlich wird die Bank in naher Zukunft weitere Neuigkeiten rund um IndexGPT verkünden.

Zum Beispiel indem sie digitale Vermögensverwaltung nutzen. Das Digital Wealth-Universum von LAIC bietet institutionellen Anlegern verschiedene individuelle Investmentlösungen basierend auf Künstlicher Intelligenz.

Robo-Advisors, Kryptowährungen, Blockchain, Crowdinvesting – das alles sind Lösungen, Services und Produkte, die ohne das Internet und die Digitalisierung nicht möglich wären. In der Tat sind sie erst der Anfang und die Zukunft gehört wohl eindeutig der KI-unterstützten Anlageberatung.

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