Anlegerpsychologie: Wie Emotionen professionelle Anleger beeinflussen

Anlegerpsychologie

Die Menschen stehen vor abzuwägenden Alternativen und müssen Entscheidungen treffen. Die Art und Weise, wie sie diese treffen ist abhängig von der subjektiven Wahrnehmung des Entscheiders. Ein Strang der Wirtschaftswissenschaften legt das theoretische Modell eines Nutzenmaximierers zugrunde, welches besagt, dass Menschen Entscheidungen unter der Prämisse treffen, den eigenen Nutzen zu maximieren. Was in vielen Situationen hilft, steht Anlegern – privaten wie auch professionellen – beim Investieren plötzlich im Wege: Emotionen und instinktives Verhalten. Die Anlegerpsychologie, auch Behavioral Finance genannt, beschäftigt sich mit dem Verhalten von Investoren, und damit, wie bestimmte Muster zu Fehlern führen, die wiederum die Performance beeinträchtigen. Wer diese Verhaltensmuster kennt und versteht, kann Fehler vermeiden und die Renditechancen steigern.

Autor: Marie-Sophie Petersen

Lesezeit: 8 Min.

12. Juni 2023

Wie beeinflussen Emotionen Anlageentscheidungen?

Auf das eigene Bauchgefühl hören – dieser Rat hilft in vielen Lebenslagen weiter. Instinktiv wissen wir häufig, welche Entscheidungen richtig sind und uns weiterbringen. Doch manchmal trügt das Gefühl, das aus der Körpermitteins Gehirn transportiert wird. In einigen Fällen ist es daher ratsam, besser rational und faktenbasiert zu entscheiden und die Emotionen beiseitezulassen.

Das ist zum Beispiel bei der Geldanlage so. Dort stehen uns Gefühle schnell im Weg und verleiten uns zu ineffizienten Entscheidungen. Dabei begehen wir Fehler. Wir neigen dazu, intuitiv, unkontrolliert und schnell zu handeln – vor allem, wenn wir den Eindruck haben, die Zeit läuft uns davon und dadurch geraten wir in Panik. Oft hat man das Gefühl, dass eine Investition jetzt gerade besonders sinnvoll zu sein scheint. Jedoch ist es auch mal ein Trugschluss. Auch in Situationen, in denen die Kurse sinken oder steigen und man beabsichtigt, die Verluste ausgleichen zu müssen – die Liste an Umständen, die durch Gefühle beeinflusst werden können, ließe sich wohl unendlich fortführen.

Vor allem Privatanleger tappen häufig in die Emotionsfalle, doch auch professionelle Anleger sind nicht vor Fehlern durch Emotionen gefeit. Unser Bauchgefühl führt, wie wissenschaftlich nachgewiesen wurde, beim Geldanlegen zu negativen Renditen im Vergleich zur Marktperformance. Unsere Emotionen stehen uns beim Investieren im Weg und wir sollten dringend rational entscheiden, uns Zeit nehmen und Investitionsentscheidungen gut überlegen. Jedoch besteht genau in diesem Punkt die Herausforderung beim Anlegen – sowohl für professionelle Anlegerinnen und Anleger als auch für die Retail-Anleger.

Erkenntnisse aus der Behavioral Finance Forschung

Bereits in den 1970er-Jahren ergründeten die Verhaltensforscher Amos Tversky und Daniel Kahnemann in ihrem Aufsatz „Judgement under Uncertainty: Heuristics and Biases“, wie sich Menschen in Zeiten von Unsicherheiten entscheiden. Sie legten damit den Grundstein einer der wichtigsten Finanzwissenschaftsdisziplinen, der sogenannten Behavioral Finance, auch Anlegerpsychologie genannt. Die Forschung beschäftigt sich mit den Verhaltenstendenzen von Investoren am Finanzmarkt und den psychologischen Heuristiken.

Kahnemann und Tversky fanden heraus, dass Menschen in zwei Systemen denken: schnell und langsam. Schnelles Denken („Thinking Fast“), funktioniert automatisch, emotional und unbewusst. Langsames Denken („Thinking Slow“) dagegen logisch, bedächtig und bewusst. Das Thinking-Slow-System wird auch dadurch charakterisiert, dass es anstrengender ist als das Thinking-Fast-System. Daher benötigen wir mitunter Anstöße, um vom irrationalen, schnellen zum rationalen, langsamen Denken zu wechseln.

Die Anlegerinnen und Anleger sollten die Verhaltenstendenzen und Heuristiken kennen, die unser Denken beeinflussen. Private Investoren sollten sich darüber bewusst sein, wie sie vom schnellen zum langsamen Denken wechseln, um bessere Entscheidungen beim Geldanlegen zu treffen. Die professionellen Anlegerinnen und Anleger müssen die Verhaltenstendenzen und Heuristiken sogar unbedingt kennen und wissen, wie sie sie steuern können. Anstatt bei Kursverlusten sofort Anteile zu verkaufen, wozu das Bauchgefühl und das erste System verleiten würden, müssen Anleger überlegen und abwägen. Dabei sollte die Frage gestellt werden, ob ein Verkauf in diesem Moment sinnvoll wäre. Der Markt hat eigene Dynamiken und ist nicht frei von Turbulenzen, welche immer einen Verkauf signalisieren.

Die Verhaltensmuster des schnellen Denkens zu verstehen ist notwendig, um Fehler zu vermeiden. Doch welche Muster der Psychologie sind das? Wir gehen auf fünf von ihnen näher ein.

Selbstüberschätzung

Menschen neigen dazu, zu glauben, sie sind schlauer bzw. besser als der Durchschnitt. Wir denken, wir wären besonders gute Autofahrer oder eben auch hervorragende Anleger. Tatsächlich ist es unmöglich, dass alle von uns die anderen übertreffen. Dennoch glauben wir, dass wir bessere Fähigkeiten oder Kenntnisse haben als der Durchschnitt. Studien wie „The Trouble with Overconfidence“ von Don A. Moore und Paul J. Healy von der Carnegie Mellon University zeigen sogar, dass die Selbstüberschätzung wahrscheinlicher wird, je komplexer die Aufgabe ist. Zwar ist gesundes Selbstbewusstsein wichtig, denn sonst würden viele Dinge im Leben gar nicht erst beginnen. Jedoch darf die Selbstüberschätzung keine Überhand nehmen.

Die Investoren, die sich selbst überschätzen und annehmen, sie wären besser als die Konkurrenz, tendieren dazu, durch viele Transaktionen ihre Transaktionskosten nach oben zu kumulieren, was in einer verminderten Rendite resultiert. Die Professoren Brad M. Barber und Terrance Odean fanden in ihrer Studie „The Courage of Misguided Convictions: The Trading Behavior of Individual Investors“ heraus: Je selbstbewusster ein Investor ist, desto schlechter ist sein erzieltes Ergebnis. Auch professionelle Anleger sollten daher nicht zu schnell handeln, sondern besser abwägen und sich nicht zu sehr selbst überschätzen.

Selektive Wahrnehmung

Stichwort: Rosarote Brille. Wir neigen dazu, bei unseren Entscheidungen negative Erfahrungen auszublenden. Wer erinnert sich schon gerne an Unschönes? Das führt dazu, dass wir Informationen herausfiltern – man spricht in der Psychologie auch von kognitiver Dissonanz. Begegnen wir zwei gegensätzlichen Ansichten, versuchen wir den Widerspruch aufzuheben und suchen instinktiv nach Bestätigung unseres eigenen Standpunktes. Wir wollen unsere vorgefertigte Meinung bestätigt sehen, anstatt zu erkennen, dass sie vielleicht falsch ist. Dennoch sollten wir genau das tun: hinterfragen statt nach Bestätigung suchen.

Wer als Anleger eine schlechte Investitionsentscheidung getroffen hat, wird versuchen, diese im Gedächtnis als besser abzuspeichern als sie es tatsächlich war. Das ist allerdings kontraproduktiv. Die Anlegerinnen und Anleger sollten auch zu Fehlinvestitionen stehen und ihre Entscheidungen stets kritisch hinterfragen, bevor sie sich in ein Investment stürzen. Die professionellen Investoren sollten dies stets berücksichtigen.

Verlustaversion

Die Verlustaversion ist eine wichtige Erkenntnis aus der Prospect Theory. Die Verlustaversion beschreibt, dass sich Individuen in Entscheidungssituationen irrational verhalten, wenn Unsicherheiten eine Rolle spielen. Dabei werden Verluste höher gewichtet als Gewinne. Menschen bevorzugen bei positiven Ereignissen den sicheren Gewinn gegenüber den unsicheren. Im Gegensatz dazu sind Menschen bei negativen Ereignissen gewillt, risikofreudigere Entscheidungen zu treffen und bevorzugen einen unsicheren, hohen Verlust gegenüber einem sicheren, aber geringen Verlust.

Anchoring

Ankerpunkte helfen uns, im Leben Aussagen zu treffen und Entscheidungen zu fällen. Um etwas einzuschätzen, halten wir uns an das, was uns bekannt ist. Wir orientieren uns an diesem Wert und bleiben bei neuen Entscheidungen zu nah an diesem Ankerwert oder wagen nicht, weit davon abzuweichen.

Einige Werte, die Investoren nutzen, um neue Anlageentscheidungen zu treffen, sind als Ankerpunkte nicht geeignet. Wer z. B. Aktien kauft, wenn der DAX bei 10.000 Punkten steht, wird sich an diesen Wert erinnern und ihn später als Grundlage nehmen. In der Tat ist diese Marke aber irrelevant und Anleger sollten sich nicht daran orientieren. Denn  ist der Stand niedriger oder höher, fällt die Entscheidung automatisch anders aus. Dabei nimmt jeder Anleger einen anderen Wert als Grundlage, was zeigt, dass der Wert als Ankerpunkt ungeeignet ist.

Herdentrieb

Wir neigen im Leben dazu, uns daran zu orientieren, was der Großteil unserer Mitmenschen macht. Die Meinung oder das Handeln vieler schätzen wir schnell als richtig ein.

Beim Investieren sorgt der Herdentrieb dafür, dass Anlegerinnen und Anleger mitlaufen, anstatt den Wert eines Unternehmens objektiv einzuschätzen. Außerdem wird Copy Trading immer beliebter bei Finanzhandelsmarken: Einzelpersonen wird dabei ermöglicht auf den Finanzmärkten, Positionen automatisch von anderen ausgewählten Einzelpersonen, meist erfahrenen Fondsmanagern, zu kopieren.

Durch den Herdentrieb verschiebt sich die Wahrnehmung und es entstehen Hype-Aktien, die nach einer gewissen Zeit Kursverluste hinnehmen müssen. Denn nicht das gut laufende Unternehmen hat den Hype ausgelöst, sondern das durch Medien und Mitmenschen angefachte Interesse. Anlegerinnen und Anleger tun gut daran, Hypes zu hinterfragen und ihre Investments aus den richtigen Gründen zu tätigen.

Was können professionelle Anleger tun, um rationaler zu handeln?

Professionelle Anleger sollten die Verhaltensmuster – es gibt neben den oben genannten noch viele weitere – kennen und sich ihnen stets bewusst sein. Immer, wirklich immer sollten sie an der festgelegten Strategie festhalten und Risikomanagement und Controlling mit in ihr Handeln einfließen lassen. Wenn sie diese Regeln im Hinterkopf behalten und ihre Entscheidungen stets kritisch hinterfragen, vermeiden sie irrationales Handeln.

Es hilft, sich immer wieder an die Systematik des schnellen und des langsamen Denkens zu erinnern. Auch, wenn es mitunter schwerfällt, hilft das Besinnen darauf, die richtigen und keine übereilten Entscheidungen zu treffen. Disziplin ist das Stichwort – wie Warren Buffett schon sagte: „Erfolgreiches Investieren benötigt Zeit, Disziplin und Geduld. Unabhängig davon, wie groß dein Talent oder deine Anstrengungen sind, einige Dinge brauchen einfach Zeit.“

LAIQON unterstützt professionelle Anleger mit innovativen Investmentlösungen und ausgeprägter Expertise im Asset Management diese Disziplin zu wahren. Unsere Anlagestrategien helfen dabei, rational zu handeln, Fehler zu vermeiden und die Performance langfristig zu steigern.

Fazit

Professionelle Anlegerinnen und Anleger müssen verstehen, was sich hinter Anlegerpsychologie verbirgt, welche Verhaltensmuster es gibt und wie sie diese überwinden bzw. vermeiden. Wer bei seinen Investmententscheidungen stets das langsame, berechnende Denken anwendet, setzt auf Rationalität und vermeidet es auf Basis von Emotionen zu entscheiden. So umgehen professionelle Investoren unnötige Fehler und steigern die Renditechancen.

Spezialtipp: Immer wieder hinterfragen

Professionelle Anleger verfügen über ausgeprägtes Finanzwissen und zahlreiche Vehikel, um Fehler beim Investieren zu vermeiden. Nichtsdestotrotz müssen sie sich bewusst sein, dass auch sie nicht vor den Verhaltensmustern gefeit sind. Neben den oben genannten gibt es noch weitere, die allesamt nur menschlich sind. Regelmäßiges Erinnern und Hinterfragen hilft professionellen Anlegern, diese Muster zu erkennen und Fehler zu umgehen. Es ist daher ratsam, sich immer wieder die Anlegerpsychologie und ihre Aspekte ins Gedächtnis zu rufen, um eine gute Performance nicht zu gefährden.

FAQ zur Anlegerpsychologie

Anlegerpsychologie wird auch als Behavioral Finance bezeichnet. Die Disziplin der Finanzwissenschaften hilft Anlegerinnen und Anlegern dabei, nicht irrational zu agieren und erfolgreich zu investieren.

„Behavioral Finance ist ein modernes Studiengebiet im Finanzbereich, das darauf abzielt, verhaltens- und kognitionspsychologische Theorien mit der konventionellen Wirtschafts- und Finanzwissenschaft zu verbinden, um Erklärungen für die Gründe zu finden, warum Menschen irrationale Finanzentscheidungen treffen“, schreibt Rajesh Kumar in seinem Buch „Strategic Financial Management Casebook“.

Die Grundlagen der Anlegerpsychologie entstanden bereits in den 1970er-Jahren. Einige Jahre später wurde die Disziplin dann in den USA berühmt und wird mittlerweile schon lange auch in Europa angewendet. Es gibt sogar Fonds, die nach den Grundsätzen der Anlegerpsychologie funktionieren.

Indem sie sich mit der Anlegerpsychologie beschäftigen, die Verhaltensmuster kennen und wissen, wie sie sie vermeiden. Indem sie ihre Entscheidungen kritisch hinterfragen und stets rational denken, umgehen sie potenzielle Fehler.

Im Gegensatz zur Anlegerpsychologie geht die Mainstream-Finanztheorie davon aus, dass Menschen rational entscheiden und handeln. Auch Märkte sind in dieser Theorie stets effizient und Unternehmen agieren ausnahmslos rational. Studien im Rahmen der Behavioral Finance belegen in allen Punkten das Gegenteil.

Kritiker erklären, dass Menschen zwar als Individuum irrationale Entscheidungen treffen, das Agieren am Finanzmarkt sie aber zu rationalem Handeln erzieht. Sie bewerten die Folgen von irrationalen Entscheidungen als kurzfristige Anomalien.

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